druckerfreundliche Ausgabe!
Mark Twain musste im Alter von 12 Jahren die Schule abbrechen und begann eine Lehre als Schriftsetzer.
Das offizielle Grusswort der handwerklichen Drucker bzw. Setzer der Zünfte.
Übrigens: wie nannte man früher einen Berufsmann, der sowohl den Beruf des Setzers, als auch jenen des Druckers beherrschte (das Wort ist auf dieser Seite zu finden)?
Ich begann als Schriftsetzer, im Bleisatz, Lehrzeit 1963–67. Das war zu «meiner Zeit» noch ein hochangesehener Beruf, nicht wegen den bekannten oder gefürchteten gewerkschaftlichen Aktivitäten der Druckereiangestellten, sondern wegen der exzellenten Ausbildung, auch sprachlich.
In der Schweiz gibt es seit langem keine Schriftsetzer mehr – der Begriff scheint einigen Leuten nicht mehr gefallen zu haben; sie nannten sich fortan Typografen, und als auch diese Berufsbezeichnung in Ungnade fiel, waren es dann die Polygrafen – was allerdings nicht bedeutet, dass sie gleichzeitig bessere Berufsleute geworden wären; eher scheint es, als hätte der Höhenflug der Begriffe den Niedergang des Berufes kompensieren müssen … meine unmassgebliche Meinung.
Verlangt wurden in jener Zeit gestalterisches Flair, Genauigkeit und weit überdurchschnittliche Sprachkenntnisse – vor allem auch der Muttersprache. Da kommen mir die Tränen, wenn ich an die heute verbreitete Lallsprache im Umfang von 50 bis 100 Wörtlein denke, mit «geil» und ihren Erweiterungen als massgebender Vokabel … von Rechtschreibung gar nicht mehr zu sprechen. Doch jetzt genug des Schnödens!
Ja, das waren noch Zeiten: mein Winkelhaken, DAS Werkzeug des Setzers im Bleisatz. An der Berufsprüfung galt es z.B., in einer Stunde eine grösstmögliche Menge von Satz (Buchstaben und andere Zeichen) zu setzen (zu «nageln»), nach Manuskript und möglichst ohne Fehler. Es war nicht meine Lieblingsdisziplin, aber an der Abschlussprüfung reichte es trotzdem zur Maximalnote … heute kaum noch ein Grund, stolz zu sein: der Bleisatz ist definitv passé. Und damit auch die raren «Schweizerdegen», welche beide Grundberufe des Druckereiwesens im Griff hatten.
Wikipedia: grosses Bild mit Setzkasten und Winkelhaken in Aktion.
Nach meinem Lehrabschluss kam die Gautschfeier (Wikipedia) … natürlich passte man auf, dass sie einen nicht erwischten, aber schliesslich hatten sie mich doch – schnürten mich zusammen wie eine Salami (ich war ziemlich wehrhaft) und ersäuften mich beinahe, in einer grossen, mit kaltem Wasser gefüllten Wanne, wie man sie auf Bauplätzen sieht. Ich hab's überlebt. – Die Rede der lieben Kollegen, am Gautschfest: nach oben
«Wir Jünger der wohledlen Kunst und verordnete treue Hüter alten gutenbergischen Erbes, werden heute an Euch in Anwesenheit sämtlicher zünftiger Meister als auch Gesellen unserer Kunst die Wassertaufe ad posteriorum et podexiorum, mit wohlangewendetem Fleiss und in gebührlicher Weise vollziehen.
Altem Ursprung und Herkommen gemäss und alles billig erachtet, wird der weihevolle Actus unter gewissenhafter Beachtung aller mennig schicklicher Zeremonien vor sich gehen, und mit einem ehrenvollen Trunk aus dero Humpen besiegelt werden. Kraft dessen Ihr Kornuten aus dem Kornutenstande entlassen, und damit in alle uns von weiland Kaiser Friedrich verliehenen Rechte eingesetzt, sowie in den Kreis der ehrlichen Zunftgenossen aufgenommen.
Darum Gesellen PACKT AN!
lasst seinen Corpus Posteriorum
auf diesen Schwamm fallen
dass triefen beide Ballen (auf nassen Schwamm setzen).
Der durst'gen Seele gebt ein Sturzbad obendrauf,
das ist den Jüngern Gutenbergs die allerbeste Tauf (Schwamm über dem Kopf ausdrücken).
Damit sichergestellt ist, dass die Person durch und durch nass ist, vollziehen wir nun die Taufe «ad Podexiorum» (Tauchbad).
Es sei denn, PACKT AN!
Gesellen!
In Wahrung von Brauch und Sitte, habt Ihr nunmehr im Namen unseres Altmeisters Gutenberg, die Wassertaufe "ad posteriorum et podexiorum" empfangen und seid damit für alle Zeit als ehrbare Gesellen anerkannt. Wir erwarten von euch, jetzt und immerdar, dass ihr als echter Kollege und Mensch auch eurer hohen Aufgabe und Verantwortung bewusst seid und stets also handelt, wie es unserem schönen Berufe und edlem menschlichem Tun geziemet. Im Beisein der hier Versammelten übergebe ich euch nun den Gautschbrief, als Zeichen eurer Würde.»
Nach einer Setzerlehre bei Fabag-Druck, Zürich, und der Setzertätigkeit in einer renommierten Lausanner Druckerei, der Imprimerie Centrale – sie druckte z.B. die « Gazette de Lausanne», (1798–1991) –, fand meine Setzerkarriere einen vorläufigen Abschluss in meiner letzten Funktion als Korrektor einer Zeitungsdruckerei, der Jean Frei (damals Offet+Buchdruck AG), in Zürich: Blick, Sport, Weltwoche, …
Später war ich dann wieder dankbar für die Kenntnisse, die ich mir damals erwarb – als Leiter der Hausdrucki eines Industriebetriebes im Zürcher Oberland und natürlich bei meiner fast täglichen Arbeit am Macintosh, wo mir heute eine sehr komfortabel eingerichtete «Setzerei» zur Verfügung steht, Grafikatelier inklusive und ohne Risiko einer Bleivergiftung …
Keine Bleisetzerei der Welt konnte über soviele Schriften verfügen, wie heute auf dem Computer zur Verfügung stehen, und natürlich mussten die Bleibuchstaben immer wieder ausgewechselt werden, denn sie nutzten sich beim Druck ab. Die heutige Schriftenvielfalt verleitet Nichtprofis oft dazu, sie in grosser Zahl (Schriften, Schriftschnitte und -grade) und wenig passend zu kombinieren. Aber wie soll ein Laie auch wissen, worauf es ankommt, ohne die vierjährige Lehrzeit des Typografen? Qualität kostet eben auch hier ein bisschen mehr.
Johannes Gensfleisch … sagt Ihnen nichts? Nun ja, vielleicht aber der Name Johannes Gutenberg? Eigentlich hiess der Mann «Johannes Gensfleisch zur Laden zum Gutenberg» und lebte 1400–1468.Er nannte sich irgendwann nach dem Familienbesitz, dem Hof zu Gutenberg – damals ein üblicher Vorgang. Wikipedia über Gutenberg. Gutenberg-Museum in Mainz.
Gutenberg war der Erfinder der beweglichen Metall-Lettern und der entsprechenden Drucktechnik.
Gutenbergs berühmtestes Werk war die 42-zeilige lateinische « Gutenberg-Bibel» in zwei Bänden, 1282 Seiten. Das Werk wurde 1452 begonnen und im Frühsommer 1456 vollendet. Die farbigen Initialen und Zeichen auf einigen Seiten wurden nicht gedruckt, sondern später von einem Illuminator und einem Rubrikator eingefügt. Von den ursprünglich 180 gibt es noch 48 bekannte Exemplare dieser Bibel in aller Welt, zum Teil auf (handgeschöpftem) Papier, zum Teil auf Pergament. Zur Konstruktion des Satzspiegels der Gutenbergbibel.
Die Göttinger Gutenberg-Bibel ist, digitalisiert, frei im Internet zugänglich und auch als CD-ROM erhältlich.
Übrigens: Buchdruck gab es schon lange vor Gutenberg, im alten China, als Holztafeldruck, und sogar mit beweglichen Lettern. Geschichte des Buchdrucks
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